Kündigung in der Probezeit bei vorher ungekündigter Stellung


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Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein – 3 Sa 355/08 – hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem es um eine Kündigung in Rahmen der Probezeit ging. Die Vereinbarung einer Probezeit ist auch dann nicht sittenwidrig, wenn der Arbeitnehmer aus einem ungekündigten Arbeitverhältnis kommt und ausdrücklich ein Dauerarbeitsverhältnis sucht.

Tipp:
Besonders wenn Sie sich aus einer ungekündigten Stellung bewerben sollten Sie beim neuen Arbeitsvertrag genau auf dei Formulierungen achten. So sollte die ordentliche Kündigung für eine gewisse Zeit (auch in der Probezeit) ausgeschlossen sein.

Aus dem Urteil (bearbeitet und gekürzt):
Sachverhalt:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung in den ersten vier Wochen eines Arbeitsverhältnisses. Der 1974 geborene, unverheiratete Kläger trat am 03.03.2008 bei der Beklagten in ein Arbeitsverhältnis als Maschinenbediener ein. Vereinbart war eine Arbeitszeit von 173 Stunden pro Monat bei einer Vergütung von 13,80 EUR pro Stunde in den ersten drei Monaten. Ob die Beklagte mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, ist streitig. Der Kläger wollte sich nach 6,5 Jahren Beschäftigung bei seinem alten Arbeitgeber beruflich verändern, vor allen Dingen mehr verdienen. Mit Hilfe der Bundesagentur für Arbeit bewarb er sich auf eine dort vorliegende Stellenausschreibung bei der Beklagten. Er führte drei Gespräche mit dem Geschäftsführer der Beklagten, bis es zur Vertragsunterzeichnung kam. Der Inhalt der Gespräche ist im Detail streitig. Jedenfalls übergab die Beklagte dem Kläger im Rahmen des am 18.01.2008 geführten Gespräches einen schriftlichen Arbeitsvertrag zur Unterzeichnung.

Dort heißt es unter anderem wie folgt:

㤠3 Probe- und Anlernzeit Р3 Monate

Weiter heißt es auszugsweise wie folgt:
§ 13 Vertragsänderung Ergänzungen und Änderungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.“

Der Kläger sprach die ausgewiesene Probezeit an und bat, diese zu streichen. Hierzu kam es jedoch nicht, weil die Beklagte es nicht wollte. Mit welchen Äußerungen dieses im Einzelnen verbunden war, ist streitig. Jedenfalls hat der Kläger deutlich gemacht, das und warum er auf eine Dauerstellung angewiesen sei. Der Geschäftsführer der Beklagten teilte ihm daraufhin mit, er habe genug Arbeit und werde nur kündigen, wenn der Kläger silberne Löffel stehle oder körperliche Auseinandersetzungen mit Kollegen habe. Das ist unstreitig. Der Klägervertreter nahm den Arbeitsvertragstext an sich. Er wollte sich die Unterzeichnung überlegen und darüber hinaus mit seinem alten Arbeitgeber abklären, zu wann er kündigen könne, ohne Weihnachtsgeld zu verlieren. Kurze Zeit später überbrachte der Kläger der Beklagten den unveränderten und von ihm unterschriebenen Vertrag. Gut drei Wochen nach Arbeitsaufnahme erhielt er innerhalb der Probezeit die fristgemäße Kündigung zum 15.04.2008. (…)
Entscheidungsgründe:
(…) Ausweislich des Arbeitsvertragstextes haben die Parteien in § 3 des Arbeitsvertrages vom 18.01.2008 eine Probezeit vereinbart. Ist eine Probezeit vereinbart, kann das Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes gemäß § 622 Abs. 3 BGB mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Die Anwendbarkeit dieser gesetzlichen Vorschrift hängt grundsätzlich nicht davon ab, dass sie ausdrücklich in einem Arbeitsvertrag erwähnt wird. Dass ein Gesetz gilt, muss grundsätzlich nicht erst vereinbart werden.
Ein arbeitsvertraglicher Ausschluss der gesetzlichen Kündigungsfrist und der gesetzlichen Kündigungsmöglichkeit ergibt sich auch nicht durch die Auslegung des Arbeitsvertrages vom 18.01.2008. (…)
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem sonstigen Sachverhalt. Es ist unstreitig, dass der Kläger gegenüber dem Beklagten zum Ausdruck gebracht hat, er sei auf ein Dauerarbeitsverhältnis angewiesen. Ebenso ist unstreitig, dass die Beklagte dem Kläger gesagt hat, sie habe dauerhaften Beschäftigungsbedarf. Diese Äußerung kann jedoch nicht anders verstanden werden, als dass die Beklagte dem Kläger gegenüber deutlich gemacht hat, er brauche eine betriebsbedingte Kündigung nicht zu befürchten. Dass dieses gemeint war, ergibt sich auch aus dem unstreitigen Kontext: Der Geschäftsführer der Beklagten hat gleichzeitig die Einschränkung vorgenommen, gekündigt werde allerdings, wenn der Kläger silberne Löffel stehle oder körperliche Auseinandersetzungen mit Kollegen habe. Aus diesen Äußerungen ergibt sich nicht mehr und nicht weniger, als dass die Beklagte dem Kläger gegenüber eine betriebsbedingte Kündigung ausgeschlossen hat. Hätte sie dem Kläger trotz dieser Äußerungen gleichwohl in kürzester Zeit wegen Auftragsmangels gekündigt, könnte sich hieraus ggf. eine etwaige Treuwidrigkeit ergeben. Darum geht es vorliegend jedoch nicht.
Den Äußerungen der Beklagten im Zusammenhang mit dem Vorliegen eines Dauerbeschäftigungsbedarfs kann vom Standpunkt eines objektiven Erklärungsempfängers nicht entnommen werden, dass sie den Kläger nicht dahingehend erproben wolle, ob er überhaupt für eine Dauerbeschäftigung hinreichend geeignet sei. Das Gegenteil ergibt sich vielmehr gerade aus der ausdrücklichen Vereinbarung einer Probezeit, die trotz Erörterung „sehenden Auges“ im Arbeitsvertragstext belassen wurde. Verstärkt wird dieses Auslegungsergebnis auch durch das in § 13 des Arbeitsvertrages zusätzlich vereinbarte Schriftformerfordernis für Änderungen und Ergänzungen des Vertrages. Die Vertragsparteien haben mit Vertragsunterzeichnung, also nach den Gesprächen über das Erfordernis einer Probezeit und nach Nichtstreichung der Probezeitvereinbarung, ausdrücklich vereinbart, dass Änderungen des Arbeitsvertrages der Schriftform bedürfen. Damit haben sie gerade bestätigt, dass der Vertragstext maßgeblich ist und dass es keine davon abweichenden mündlichen Vereinbarungen geben soll und gibt.
Es ist auch nicht ersichtlich, woraus sich ergeben soll, dass die Beklagte mit dem Kläger die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes vereinbart haben soll, noch dazu ab dem ersten Arbeitstag. Diesbezügliches ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Arbeitsvertrages noch aus dem Vorbringen des Klägers. Er hat dieses nur – quasi schlussfolgernd aus seinen Wahrnehmungen behauptet.
Die streitbefangene Kündigung widerspricht auch nicht Treu und Glauben (§ 242 BGB). Eine Kündigung verstößt nicht allein deshalb gegen Treu und Glauben, weil sie ohne Angaben von Gründen ausgesprochen wird. Nur, wenn sich aus dem Vorbringen des Arbeitnehmers ergibt, dass der Arbeitgeber das Kündigungsrecht rechtsmissbräuchlich nutzt, kann § 242 BGB verletzt sein. Ist eine Abkürzung der Wartezeit des $ 1 Abs. 1 KSchG nicht vertraglich vereinbart – und auch hier wäre vorliegend das Schriftformerfordernis zu beachten – so gilt für eine arbeitgeberseitige ordentliche Kündigung der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. Wer aus einem geschützten Arbeitsverhältnis freiwillig ausscheidet und mit dem neuen Arbeitgeber nicht vereinbart, dass die Kündigung für eine gewisse Zeit ausgeschlossen ist, übernimmt das Risiko, dass ihm der neue Arbeitgeber vor Ablauf der in § 1 Abs. 1 KSchG bestimmten Frist von sechs Monaten ordentlich kündigt.
Die Kündigung der Beklagten lässt nach den Gesamtumständen über eine reine Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus keine treuwidrige Verletzung der Interessen des Klägers erkennen. Der Kläger hat sich aus freien Stücken aus einem ungekündigten Arbeitsverhältnis in ein Beschäftigungsverhältnis bei der Beklagten beworben. Er hat sich, eine dauerhafte Beschäftigung suchend, auf die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer dreimonatigen Probezeit eingelassen. Damit ist er das allgemeine, jeden neu eingestellten Arbeitnehmer treffende Risiko eingegangen, innerhalb der Probezeit ohne Angabe von Kündigungsgründen die Kündigung erhalten und sich hiergegen nicht mit einer Kündigungsschutzklage wehren zu können. Andere relevante besondere Umstände sind seitens des Klägers nicht vorgebracht worden. Die Beklagte hat zudem den Hintergrund für den Ausspruch der Kündigung dargelegt. Weiterer Darlegungen ihrerseits zur Rechtfertigung der Kündigung während der Probezeit bedurfte es nicht. Abmahn- und ErmahnErfordernisse bestehen innerhalb der Probezeit gerade nicht. Für die Feststellung des Umfangs der Leistungsfähigkeit ist die Probezeit gerade gedacht. Aus der Tatsache, dass eine mehrmonatige Probe und Anlernzeit vereinbart wurde, kann auch nicht entnommen werden, dass ein Arbeitgeber die gesamte Probe und Anlernzeit verstreichen lassen muss, bevor er eine Kündigung aussprechen kann. Gemäß § 622 Abs. 3 BGB kann gerade „während“ einer vereinbarten Probezeit das Arbeitsverhältnis mit einer verkürzten Kündigungsfrist gekündigt werden. Hieraus ergibt sich, dass kraft Gesetzes die Kündigungsmöglichkeit innerhalb der Probezeit und nicht erst zum Ende der Probezeit besteht. Abweichende Vereinbarungen haben die Parteien nicht getroffen.

Vorinstanz: 6 Ca 1023/08 ArbG Lübeck

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